Pressestimmen zu „Der Tod, das muss ein Wiener sein“
Backnanger Kreiszeitung
Beeindruckender Wiener Abend des Duos Renate Brosch und Karl-Friedrich Schäfer
Der Tod, die Schand’ und die Lieb’
Burgstetten (nph) – Mitten hinein ins Schwarze begibt sich mit seinem neuen Programm „Der Tod, das muss eine Wiener sein“ das Liedduo Renate Brosch und Karl-Friedrich Schäfer in der Pfarr- und Zehntscheur Erbstetten. Nach einigen einleitenden himmelblauen Wiener Zuckerln gibt es sogleich einen Schwenk zu Georg Kreisler, mit einer Beschwörung der Geister des lieben Gottes, die da heißen „das Glück und das Unglück, der Tod’ und die Schand’ und die Lieb’ und der Zorn und der Neid“. Eine erfrischende Atmosphäre breitet sich aus und macht an diesem Abend vieles möglich: die spielerische Verknüpfung von klassischem Liedgesang, chansonhaftem Sprechgesang, melodramatischen Einlagen, unterhaltsamen Anekdoten und einigen Bosheiten.
Wenn dieses Konzept nicht in Banalität abgleiten soll, müssen die Künstler allerdings viel können: Die Sängerin muss die Fähigkeit besitzen, die ganze Bandbreite der stimmlichen Möglichkeiten zwischen Sprechen und Singen auszuloten; der Pianist muss ständig zwischen den unterschiedlichen Tastenmensuren von Klavier und Akkordeon hin- und herwechseln und dazwischen noch rezitieren. Schäfers virtuoses Akkordeonspiel versetzt in Erstaunen, wenn man ihn neulich noch mit einem hochanspruchsvollen klassischen Klavierabend im Backnanger Bürgerhaus bewundert hat. Eine intelligente Dramaturgie verschmilzt das Thema zu einem eindrücklichen musikalisch-theatralischen Abend, der nicht nur unterhält, sondern ein schillerndes Spiel zwischen verschiedenen Bedeutungsebenen bietet.
So ergibt buchstäblich ein Wort das andere. Als Antwort auf die Frage, warum denn das Glück ausbleibt, wagt das Liedduo einen Sprung in Schuberts Winterreise. „Die Post“ bringt keinen Brief für das unglücklich klopfende Herz. H. C. Artmanns Brieftaube bildet eine Überleitung zu Kreislers „Tauben vergiften im Park“. Damit der erste Teil des Programms nicht gar zu böse endet, blühen noch einmal im Prater die Bäume, allerdings in Verbindung mit Thomas Bernhards Kurzprosatext „Zuviel“, in dem ein Familienvater seine vier Kinder aus Überdruss umbringt.
Auf der Heide blühn die letzten Rosen…
Pathos pur gibt es im zweiten Teil mit Lehárs Wolgalied in einer „angepassten“ Fassung mit Akkordeonbegleitung. Es folgt Robert Stolz’ fast unerträglich sentimentales Lied „Auf der Heide blühn die letzten Rosen“ aus dem Ufa-Film „Das Herbstmanöver“, das in der zweiten Strophe melodramatisch mit einem Gedicht von Gerhard Rühm ausgestattet wird: „Wie trist von Möbel nachts von Bäumen zu träumen.“ Dramatisches Herzstück des Abends ist Kreislers „Als der Zirkus in Flammen stand“, eine bitterböse Satire auf den ganz alltäglichen Voyeurismus des Kleinstädters. Sehr frech wird es noch einmal mit einer „Frühlingsimprovisation“ frei nach Gerhard Rühm und Arnold Schoenberg: Renate Broschs brillante Vokalimprovisation über das erste der „Sechs kleinen Klavierstücke op. 19“ von Arnold Schoenberg auf Gerhard Rühms hochunanständigen Text („Die Tulpe scheißt auf den Rasen…“) lässt auf eine große Routine im Umgang mit zeitgenössischer Musik schließen und führt zur großen Erheiterung des zahlreich erschienenen Publikums. Die bewusst provokante Frage „Was werden dazu wohl unsere Kritiker sagen?“ und ein virtuos dargebotener „Musikkritiker“ von Kreisler beenden das Programm.
Wer am Ende eines so anregenden Abends mit beispielsweise Thomas Bernhards „Stimmenimitator“ den Eindruck gewonnen haben konnte, die „Stimmenimitatorin“ Renate Brosch könne am Ende gar ihre eigene Stimme nicht nachahmen, wird in den Zugaben eines Besseren belehrt. Sie beweist mit einem blühend jugendlich-dramatischen Sopran mit dem dramatisch akzentuiert vorgetragenen „Lied an den Mond“ aus „Rusalka“ von Antonín Dvorák, dass ihre stimmliche Heimat die Oper ist.
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